Jean Sibelius (1865–1957):Rêverie op. 58 Nr. 1; Scherzino op. 58 Nr. 2; Romanze A-Dur op. 24 Nr. 2; Finlandia op. 26 Nr. 7Der in erster Linie für seine Orchesterwerke bekannte finnische Komponist Jean Sibelius schrieb auch sehr viele Stücke für Klavier, obwohl Klavier nicht sein eigenes Instrument war. Sibelius hatte in seiner Jugend Violine studiert. „Eigentlich interessiert das Klavier mich nicht, denn es kann nicht singen“, sagte er einmal zu seinem Schüler Bengt von Törne. Sibelius konnte jedoch virtuos mit dem Klavier improvisieren. Manchmal war es für Sibelius eine finanzielle Notwendigkeit, kleinere Stücke zu komponieren und zu veröffentlichen, denn er kämpfte zeitlebens mit Geldschwierigkeiten. Als Sibelius’ Töchter ihren Vater einmal fragten, warum er denn kleine Stücke statt größerer Orchesterwerke komponiere, antwortete er: „Damit ihr Butterbrot zu essen habt.“ Neben den genannten kleineren Werken schrieb Sibelius auch einige größere Stücke für Klavier, z.B. die selten gehörte Sonate op. 12, drei Sonatinen op. 67 und Kyllikki, drei lyrische Stücke op. 41, deren Inspirationsquelle das finnische Nationalepos Kalevala war. Obwohl Sibelius dafür, dass erbevorzugt kleinere Klavierstücke komponierte, sogar kritisiert wurde, fand er über seine Klaviermusik auch namhafte Freunde . Von dem legendären kanadischen Pianisten Glenn Gould, selbst Interpret von Aufnahmen der wichtigsten von Sibelius’ Klavierkompositionen, stammt das Zitat: „Sibelius schrieb nie gegen den Kern der Klaviatur. (…) In Sibelius’ Klaviermusik funktioniert alles, alles singt – aber unter eigenen Bedingungen. Sibelius konnte das allzu begrenzte Klavierrepertoire der Spätromantik in bemerkenswerter Weise bereichern.“ In diesem Konzert sind Sibelius’ drei Charakterstücke – Rêverie, Scherzino und Romanze – und Sibelius’ eigene Klavierversion der populären Orchesterdichtung Finlandia zu hören. Zehn Stücke op. 24 umfasst insgesamt sogar drei Romanzen, von deren die erste, Romanze in A-Dur, 1895 komponiert wurde. Der Stil der Komposition ist dramatisch und sucht orchestrale, geradezu wagnerianische Effekte. Diese Romanze gehörte zu jener Zeit auch zum Konzertrepertoire russisches Meisterpianisten Alexander Siloti. Sibelius’ Zehn Klavierstücke op. 58 aus dem Jahre 1909 erfuhren von zahlreichen Pianisten, die sie interpretierten, Lob. Ilmari Hannikainen, der Anfang des 20. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten finnischen Pianisten zählte, schrieb: „Zehn Klavierstücke op. 58 ist meine letzte Entdeckung und Verliebtheit. Die ganze Suite ist wie eine Perlenschnur, in der jede Perle strahlend schillert. Und der Stil dieser Stücke! Sibelius ist immer Sibelius von Anfang bis Ende, aber in op. 58 ist es, als würde er einen neuen Klavierstil entdecken, der – obwohl man nicht von ’Ähnlichkeit’ sprechen kann – geradezu geistig verwandt mit dem letzten Stil Beethovens ist. Das erste Stück, Rêverie, ist einer der funkelndsten Edelsteine in dieser wertvollen Reihe.“ Rêverie („Träumerei“) deutet, wie schon der französische Name nahe legt, in die Richtung des impressionistisch-expressionistischen Stils der Zeit von Sibelius: Debussy und Skrjabin könnten dem Zuhörer dabei in den Sinn kommen. Das lebhafte und mild bimodale Scherzino wurde hingegen nach Sibelius’ eigenen Worten „im Geiste Benvenuto Cellinis“ geschrieben: Der florentinische Bildhauer und Goldschmied Cellini war ein munterer und launischer Künstler der Renaissance. Im Februar 1899 hatte der russische Zar Nikolaus II ein Manifest unterschrieben, das darauf abzielte, die Autonomie des Großfürstentum Finnlands einzuschränken. In den Kreisen der Künstler und Intellektuellen entbrannte Widerstand, und die nationalromantische Protestkunst wurde immer beliebter. Zu dieser „Befreiungsfront“ gehörte auch Sibelius’ bekannte Tondichtung Finlandia. Deren Frühversion Finnland erwacht war ursprünglich ein Satz von Sibelius’ Musik zu einer die Geschichte Finnlands beschreibenden Theaterszene. Sibelius’ Finlandia entstand aus der Bearbeitung dieser Dramenmusik und kam schnell zu Erfolg. Im Laufe der Zeit schufen zahllose Musiker viele verschiedene Versionen des Stückes. Besonders über die Jazzversion ärgerte sich Sibelius, der leichte Musik nicht leiden konnte, sehr. Er schrieb selbst eine Klavierversion der Finlandia, die, obwohl sie nicht völlig die Farbigkeit der originalen Orchesterkomposition erreicht, geradezu eine pianistische Tour de force darstellt und deshalb zu dem Repertoire mancher finnischer Konzertpianisten gehört. © Terhi Dostal 2009
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